Beruflich beschäftige ich mich gerade viel mit den Themen Psychohygiene und Burnoutprophylaxe in psychosozialen Berufen (man kann mich auch für Fortbildungen zu dem Thema buchen, by the way).
Dass Nähen für mich die beste Psychohygiene ist, erwähne ich gerne und begründet auch meine vielen Nähergebnisse.
Michaele Huber*, einer der bekanntesten und besten Traumatherapeutinnen in unserem Land, benennt auch u.A. das Tüfteln als eine sehr gute Strategie um Stress abzubauen.
Gestern konnte ich das am eigene Leib erfahren. Nach einer echt anstregenden und zum Teil auch sehr ärgerlichen Woche, habe ich am Freitagnachmittag angefangen ein Kleid, dass ich in einem Laden gesehen hatte, nachzunähen. Das besagte Kleid hatte einen Empireschnitt, wobei das obere Vorderteil eine Wickeloptik hatte.
Zum Tüfteln und Experimentieren habe ich mir einfach grünstigen Jersey (Maastricht und Maybachufer) geschnappt und mit Hilfe zweier Schnitte, einer großen Schere, Mut und Freestyle losgelegt. Am besten geeignet für diese Idee schien mir eine Mischung aus Vogue 8379 und Ajaccio.
Das vordere Oberteil vom Vogue 8379, wurde von mir 6 cm gekürze. Hier liegt des Schnitt des neues Oberteils auf Folie auf dem alten. Dabei habe ich mich entschieden auch die Brustabnäher wegzulassen, das geht bei meinen Maßen ganz gut.

vom vorderen Unterteil des Ajacciokleids nur die obere Saumlinie begradigt.

Das Rückeinteil ist oben Vogue und unten Ajaccio. Dafür habe ich beim Zuschneiden einfach beide Teile übereinander gelegt. Wenn man die Schnitte z.T. auf Folie hat, geht das sehr gut. Die Ärmel habe ich vom Oberteil also Vogue genommen.

Die meisten Nähte habe ich zuerst nur geheftet (größte Stichlänge, niedigste Fadenspannung), so waren kleine Veränderungen noch gut möglich.
Hier das Probekleid noch ungesäumt. Hoffe man kann bei dem wuseligen Stoff etwas erkennen. Hab mich mal so steif hingestellt wie die Puppe.

Der Ausschnitt kann größer sein, sonst gefällt es mir sehr gut.
Als ich es fertig hatte, kam mir, noch voll im Flow, die Idee, das nächste Kleid dieser Art mit Taillenband zu nähen.
Hier eine Schnittschemaskizze von mir.

Und wieder Oberteil Vogue und diesmal auch das Rückenteil um 6cm gekürzt.

Am vorderen Rockteil die 9cm Breite des Taillenbands weggeklappt. Beim Rückenteil die Länge vom oberen Rückenteil plus Taillenband weggeklappt. So entstanden zwei recht identische Rockteile.

Das Taillenband misst zugeschnitten jeweils die oberen Breiten der Rockteile mal 12 cm (9 cm plus 2×1,5cm Nahtzugabe). Ich hab beim Zuschneiden vor allem gemessen und die Schnittteile einfachwegggeklappt, das ging gut und schnell. Erst wenn ich weiss, die Maße stimmen so, werde ich neue Schnittmuser erstellen.
Hier das erste Probekleid. Das Taillenband ist eher ein Hochtaillenband geworden (danke an Frau Sachenmacherin für den Begriff) Dabei sitzt nicht die Mitte sondern das untere Ende des Taillenbands auf der Taille. Aber der Rock fängt in der Taille an, so soll es sein, oder? Es macht auf jeden Fall eine gute Figur, sitzt gut und gefällt mir.

Schon wieder wuseliger Stoff, deshalb zeigen meine Finger auf das obere und untere Ende des Taillenabands.

Das Kleid erinnert an Tiramisu und dieses Knip Kleid, sitzt aber bei mir besser.
So hatte ich in 3,5 Stunden zwei Probekleider, den Kopf frei, mich bestens erholt und war meinem Traum, einem Baukastensystem für Jerseykleider, ein großes Stück näher gekommen. Er hat quasi meinen Traum, einen Baukasten für Webkleider mit Hilfe des Buchs „Kleider Nähen“ überholt, aber da liegen hier auch zwei Probekleider rum, die werden am Sonntag beim Nähkränzchen angepasst und danach verbloggt.
Deshalb: tüftel, probiert aus, wagt Neues, tut beim und mit dem Nähen etwas für eure Gesundheit und gute Laune. Und das Ergebniss der Tüftelei, die selbstgenähten, angepassten Kleidung dann zu tragen, ist auf jeden Fall auch gut fürs Wohlbefinden, für die Gesunheitsprophylaxe und die Psychohygiene.
Habt ihr diese Erfahrung auch schon gemacht? Bestimmt.
Ich wünsche euch ein erholsamen Wochenende, bei welcher Tüftelei auch immer.
- M. Huber: Wege der Traumabehandlung:Trauma und Traumabehandlung Teil 2, Paderborn 2003, S. 275ff